Ute Blasche

Bilder

Meine Inspirationen

Bilder-Rahmen entzaubert

Der Hang zum Gesamtkunstwerk

Ikebana

Bilder-Rahmen entzaubert.

An mein erstes Wau-Erlebnis in einem Museum kann ich mich heute noch erinnern, als ob es gestern gewesen wäre:

Während der Schulzeit führten uns etliche Besuche ins Kunstmuseum Bern. An der Rückwand des grossen Saals im damaligen Salvisbergbau hingen als Dauerausstellung einige  monumentale Ölbilder von Albert Anker. Besonders gefiel mir das Werk "Kleinkinderschule auf der Kirchenfeldbrücke" - wohl nicht zuletzt, weil ich dem darauf verewigten alten nostalgischen Brückengeländer nachtrauerte,  das in den 1970er-Jahren angeblich wegen Sicherheitsgründen durch ein neues Allerweltsgeländer ersetzt worden war.

Zu der Zeit war noch es üblich, dass besonders die grossen und wertvollen Bilder in Museen in ebenfalls wertvollen Bilderrahmen präsentiert wurden. Für mich war es damals immer ein Rätsel, wie sich immer wunderbarerweise solch ein komplizierter Rahmen fand, der genau zur Grösse des jeweiligen Gemäldes passte!

Vor der Eröffnung des Neubaus des Kunstmuseums wurde in der Presse schon eifrig das neue Ausstellungskonzept diskutiert: die Wände seien in einem neutralen Grau gehalten und die Bilder ausgerahmt und aus konservatorischen Gründen nurmehr  in schmalen dunklen Metallrahmen präsentiert.

Und dann mein Wau-Erlebnis: die Bilder, die mir als handwerkliche Wunderwerke in repräsentativen Rahmen in Erinnerung waren, leuchteten plötzlich in einer nie dagewesenen Farbenpracht. Umwerfend! Sicher mag die Restaurationsabteilung einen guten Teil beigetragen haben, aber für mich war klar: Rahmen töten Bilder.

Meine eigenen Arbeiten hingen folglich lange Jahre ohne Rahmen an der Wand. Bis ich einsehen musste, dass ein Rahmen auch vor Staub und Schmutz schützt. Meinen persönlichen Ausweg fand ich in Rahmen, die nicht nur schützen, sondern ein Teil des Werkes sind und den Übergang von der Bildkomposition zur Umgebung gestalten. Der Weg zu den Objekt-Bildern war geebnet.

Der Hang zum Gesamtkunstwerk - Playa Blanca.

Ein Kunstwerk muss weder in einen Rahmen passen, auf einem Sockel stehen und auch nicht klar definiert sein.

Dass es auch anders geht, habe ich ein erstes Mal erlebt, als ich die "Abbruch-Ausstellung" im alten Salvisberg-Bau des Kunstmuseums Bern besucht habe. Etwas wehmütig bin ich an einem Sommertag durch die Säle im Erdgeschoss gegangen. Im hintersten Saal stand ein Baugerüst. Auf einer Liste konnte man bestätigen, auf eigenes Risiko hochzuklettern. Was ich auf dem Dachboden über den Glasdächern der Ausstellungssäle entdeckte, war die Kletterei allemal wert:

... wo zwischen dem Gerippe der Oberlichtdecke das aerodynamische Environment «Playa Bianca» entstanden war, ein Strand auf dem Estrich. Baden verboten! Ein Meer, so künstlich, wie es nur geht, bewegte sich über den Ausstellungssälen, eine Insel versprach Träume, ein Steg führte ins Nichts. Plastikwellen, Plastikphantasien, Plastikspielereien. Ein Kunstmuseum überflutet vom Ozean... (*)

Auf einem wackligen Steg konnte ich durch diesen von Luftgebläsen bewegten Ozean aus silbernglänzender Folie gehen. Bis ich vor einem Abgrund stand - dahinter unerreichbar ein riesiger Teddy auf einer Sommerliege, mit Apérodrink unter einer Plastikpalme.

Was kitschig klingt, hat mich damals berührt. Und berührt mich noch heute, wenn ich mich daran erinnere.

Von den Urhebern, dem Atelier Ecetera, habe ich noch verschiedene Installationen besuchen dürfen. Erinnern kann ich mich an das Baden im nachgebauten Roten Meer auf der Grossen Schanze in Bern. Und besonders an den Abend in den Kellergewölben unter dem Klösterliareal in Bern. Ein Abend wie er querer kaum sein konnte: die Besucher ausgestattet mit Badekleid und Bademantel, Tische mit exquisitem Essen auf Glasplatten auf Cardanwellen statt Tischbeinen, Baden in einem Pool mit Unterwasserbeleuchtung und funkelnden Glaskugeln. In einem Nebenraum Lesungen. Und ich fühlte mich einen Abend lang mitten drin wunderbar aufgehoben inmitten von Friede und Heiterkeit.

 

(*) Siehe auch: http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=dkm-003:1981:41::2270

Installation des Atelier etcetera über dem Innenhof der Bibliothek des Hauptgebäudes der Uni Bern

Gesteck mit Kamelien, Aspidistrablättern und Gräsern Im Stil der Ikenobo-Schule von Ute Blasche

Ikebana – der Blumenweg.

Ikebana - die Japanische Kunst des Blumensteckens -  hat mich vor vielen Jahren per Zufall erreicht. Wenn beim Ikebana beim Stecken und Äste biegen ein schöner Ast bricht und das Konzept vom ganzen Gesteck damit «über den Haufen geworfen ist», dann hört man immer wieder «es hat so sein sollen». Und meistens findet sich dann eine Variante, eine Lösung, an die man vorher nicht gedacht hat und die genau so schön ist, wie die ursprüngliche Idee – vielleicht sogar schöner, überraschender und auch wengier «déja-vu». Deshalb hat es wohl so sein sollen, dass ich statt beim Migros-Kurs «Brotbacken» beim Ikebana angekommen bin.

 

Zuerst hat mir Ikebana gar nicht gefallen, aber nach einigen wenigen Lektionen habe ich wohl geahnt, dass ich mich da auf eine lange Reise einlassen könnte. Und so bin ich dabei geblieben. Es ist eine lange Reise geworden: eine Reise in eine fremde Kultur – und es ist auch eine Reise zu mir selbst daraus geworden.

In Japan gibt es hunderte von verschiedenen Ikebana-Schulen - viele neuere und einige, die schon seit Jahrhunderten bestehen. Dass das Schicksal mich zu einer der ältesten verschlagen hat, das hat wohl auch so sollen sein. Und mit der langen Tradition ist ein schier unendliches Regelwerk verknüpft, das respektiert und befolgt sein will. In mehr als zwanzig Jahren meiner Beschäftigung mit Ikebana habe ich das erste Lehrer-Diplom der Ikenobo-Schule erlangt und bin somit berechtigt, Kurse zu geben und Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, eigene erste Schritte auf Blumenweg zu tun.

 

Vieles in der japanischen Gesellschaft ist für uns Europäer fremd und irritierend: In Europa und der westlichen Welt versuchen wir seit Jahrhunderten, Licht ins Dunkel zu bringen - und zwar mit Kerzen, Leuchten und allerlei Lampen - aber auch im übertragenen Sinn versuchen wir, die Welt um uns zu beschreiben, zu verstehen und zu erklären. In Japanischen W0hnräumen wird dagegen dem Dunkel eine besondere Wertschätzung entgegengebracht. Auch gibt es Dinge und Begrifflichkeiten, die in unserer Kultur und Sprache fehlen:

Wabi: kultivierte Schlichtheit, die innere Ruhe weckt; Schlichtheit ist dabei nicht Armseligkeit, sondern die Besinnung auf das Wesentliche.

Sabi: die wehmütig-besinnliche Stimmung, wie wir sie beim Anblick von Patina, moosbedeckten Felsen oder alten Ästen erfahren. Auch die Stimmung eines guten Haiku - ein kurzes Gedicht -  wird oft als Sabi bezeichnet.

Shibumi: unauffällig und unaufdringlich, wie ein herber Wein oder matte, rauhe Keramik.

Furyu: ist die feine Anmut des Unvollkommenen und des Asymmetrischen; sie wohnt dem Halbmond inne, oder auch dem elegant gebogenen Zweig.

Aware: ist die wehmütige Schönheit des Vergehenden, etwa herbstliche Blätter oder der abnehmende Mond. Ikebana zeigt die lebendige Schönheit, aber auch die wehmütige Schönheit des schwindenden Lebens. Der Spätherbst ist die Jahreszeit, in der man Aware besonders intensiv empfindet.

 

Meine jahrelange Beschäftigung mit Ikebana hat mich gelehrt, dass das Überbord-Werfen aller Regeln – wie es in der modernen Kunst oft praktiziert wird ist – nicht nur Gutes hat. Ikebana strotzt nur so vor Regeln und gerade deshalb ist es immer wieder aufs Neue eine Herausforderung, einmalige und kreative Gestecke zu gestalten. Und dabei vielleicht das Regelkorsett ein wenig zu durchbrechen, ohne dass die zugrundeliegende Idee verraten wird, aber so, dass ein Gesteck entsteht, dass Harmonie und Freude ausstrahlt und uns in unserem Innersten berührt.

 

Ute Blasche

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